Fassadensolaranlage in Leipzig

Einleitung

 
Eine Solaranlage im Einfamilienhaus gehört heute schon fast zum Standard. Im Jahr 2000 wurde bereits jedes zehnte neu gebaute Einfamilienhaus mit einer Thermischen Solaranlage ausgestattet. Jährliche Zuwachsraten von 30% beweisen die steigende Akzeptanz. Solarenergie hat ein sehr positives Image, sie trägt zur Senkung der Betriebskosten bei und ist ein Element zur Wertsteigerung von Gebäuden.

Ansicht Solarfassade
Diese angesichts der jetzigen Situation auf dem Wohnungsmarkt wichtigen Vorteile kommen häufig nur teilweise zum Tragen. Die Mehrzahl der bisher realisierten Solaranlagen auf großen Gebäuden ist unsichtbar installiert oder wirkt aufgesetzt. Eine Identifikation der Mieter oder Nutzer mit der Solaranlage kann dabei nicht erfolgen.

Deshalb verfolgte das Planungsbüro RPP gemeinsam mit dem Studentenwerk Leipzig als Bauherrn und dem Bauplanungsbüro Sahlmann & Partner einen anderen Ansatz.

Die nach Süden ausgerichteten Giebelflächen einer Vielzahl von Plattenbauten in den Neuen Bundesländern besitzen keine Fenster. Auf passive Solarenergienutzung wurde von den damaligen Errichtern kein Wert gelegt. Im Zusammenhang mit der Sanierung dieser Gebäude steht vor Stadtplanern und Architekten häufig die Aufgabe einer Umnutzung bzw. Aufwertung dieser Flächen, um die Attraktivität dieser Bauten bei einem zunehmenden Wohnungsüberhang zu erhöhen.

Seit Oktober 2001 wird ein Teil der Fassade des Studentenwohnheimes in der Leipziger Gärtnerstraße zur aktiven Solarenergiegewinnung genutzt. Im unteren Bereich wurde aus Verschattungsgründen und aus Schutz vor Vandalismus auf eine Belegung mit Kollektoren verzichtet. Die notwendige Unterkonstruktion wird statt dessen als Gerüst für eine Fassadenbegrünung genutzt.

Planung  
In der Planung wurde viel Wert auf eine optimale Dimensionierung der Kollektorfläche gelegt. Für den Bauherrn stand dabei nicht der maximale Energieertrag (bei entsprechend hohen Investitionskosten) sondern eine optimale Wirtschaftlichkeit im Mittelpunkt. Eine mehrmonatige Messung des Warmwasser-verbrauchs ergab einen durchschnittlichen täglichen Warmwasserbedarfs von 8,7 m³ (bei 55 °C WW-Temperatur). Die Einflüsse von saisonalen Schwankungen (z.B. Semesterferien) wurden für die Dimensionierung beachtet. Nach umfangreichen Simulationen fiel die Entscheidung für eine Anlage mit einer Absorberfläche von 108 m², mit welcher eine solare Deckungsrate von 37% erreicht werden soll. Bei dieser vergleichsweise geringen solaren Deckungsrate werden Stillstandszeiten im Sommer vermieden und ein sehr hoher spezifischer Solarertrag gewährleistet.
Planungsdetail Kollektoranbindung an Steigestrang

Fassadenansicht vor der Sanierung
Technik

Zum Einsatz kamen direktdurchströmte Vakuumröhrenkollektoren. Bei diesem Kollektortyp kann der Absorber in jeder einzelnen Röhre um bis zu 25° aus der Kollektorebene gedreht werden, wodurch die bei senkrechter Fassadenmontage auftretenden Nachteile der geringeren Solarstrahlung gegenüber einer um 45° geneigten Fläche wieder ausgeglichen werden. Neben technischen Auslegungskriterien wurde bei der Detailplanung auch viel Wert auf eine ansprechende Optik mit klar definierten Rohrleitungsverläufen auf der entstehenden Fläche gelegt. Durch eine bewußte Unterteilung der Stahlkonstruktion konnte eine sehr flache Montage der Solaranlage einschließlich Unterkonstruktion erreicht werden. Dies trägt wesentlich zum guten optischen Erscheinungsbild der Solaranlage bei.

Die Solarzentrale ist in einem ehemaligen Containerraum untergebracht. Die von den Kollektoren gelieferte Energie wird in einem standortgefertigten Pufferspeicher mit 7 m³ Inhalt gespeichert. Der Pufferspeicher ist mit einem Schichtenladesystem zur temperaturorientierten Einspeisung von Wasser ausgestattet. Pufferbelade- und -entladekreis werden von zwei unabhängigen Regelungen angesteuert. Messeinrichtungen zur Erfassung der eingespeisten Solarenergie garantieren die Überwachung der Funktion und des berechneten Ertrages.
Montage  
In einem ersten Bauabschnitt wurde an der Fassade ein Wärmedämmverbundsystem angebracht. Außerdem wurden die Auflage- und Befestigungspunkte der Unterkonstruktion an der Fassade geschaffen. Anschließend wurde das Gerüst abgebaut und die Unterkonstruktion mit einem Kran montiert. Als Leistungsgrenze zwischen dem Gewerk Stahlbau und dem Gewerk Solar dienten horizontal verlegte U-Profile mit vorgebohrten Befestigungsmöglichkeiten, auf denen die Montagesätze des Kollektorherstellers unproblematisch montiert werden konnten. Die Kosten der Stahlkonstruktion für die Fassadenmontage befinden sich in einem ähnlichen Rahmen wie sie bei vergleichbaren Projekten für Unterkonstruktionen auf Flachdächern angefallen sind. Nach erfolgter Abnahme der Stahlkonstruktion wurde das Gerüst neu gestellt.

Nach einer öffentlichen Ausschreibung erhielt die Firma Talkenberger aus Oederan den Auftrag für die Montage der kompletten Solaranlage. Innerhalb von 3 Wochen erfolgte die gesamte Montage der Vakuumröhrenkollektoren einschließlich Schweißen, Isolierung und Ummantelung der Rohrleitungen mit Aluminiumblech an der Fassade. Parallel dazu erfolgte die Fertigstellung der Installation der Technikzentrale mit Regelung und Meßtechnik. Im Oktober konnte der Probebetrieb begonnen werden, nach Optimierung einiger Parameter liefert die Solaranlage seit Ende 2001 die gewünschten Erträge.
Kosten  
Die Kosten der kompletten Solaranlage einschließlich Unterkonstruktion, Planung und Mehrwertsteuer beliefen sch auf ca. 140.000 €. Auf den Bereich der Stahlkonstruktion entfielen davon ca. 27.000 €. Aus den abgerechneten Kosten dieser und vergleichbarer anderer Großanlagen zeigt sich, dass die spezifischen Kosten pro m² Kollektorfläche im Vergleich zu kleinen Einfamilienhausanlagen um mindestens 30% günstiger liegen. Berücksichtigt man weiterhin den höheren spezifischen Solarertrag, ergibt sich im Vergleich zum Einfamilienhaus eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit um mindestens den Faktor zwei.

Technische Daten
Bruttokollektorfläche 158 m²
Absorberfläche 108 m²
Pufferspeichervolumen 7 m²
Jährlicher Energieertrag 63000 kWh
Investitionskosten Solaranlage (brutto) 96000 Euro
Gesamtkosten 140000 Euro

 

Zusammenfassung

Die ansprechende Fassadenmontage bringt die Solaranlage eindrucksvoll zur Geltung. Die gewünschte Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien kann nur durch eine breitere Nutzung im mehrgeschossigen Wohnungsbau erreicht werden. Die vorgestellte Anlage zeigt beispielhaft, wie ungenutzte Südfassaden nicht nur architektonisch ansprechend gestaltet sondern auch aktiv zur Energie- und CO2-Einsparung genutzt werden können.

Das Planungsbüro RPP wurde vom Sächsischen Ministerium für Umwelt- und Landwirtschaft im Dezember 2001 für die Planung und Projektleitung dieser Solaranlage mit dem Sächsischen Umweltpreis ausgezeichnet.
Besonders hervorgehoben wurde durch die Jury der Modellcharakter auch für andere Plattenbauten.
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